Pfaffstättens Frühgeschichte
Spuren der ersten Siedler im Raum von Pfaffstätten lassen sich bis in die jüngere Steinzeit zurückverfolgen. 1909 wurde eine steinzeitliche Wohngrube entdeckt, auch andere Fundberichte sind sporadisch vorhanden.
Von der Besiedlung in der Bronzezeit zeugen bronzene Beile aus 12.-11. Jhdt. v. Chr., von denen 2 im Heimatmuseum zu besichtigen sind. In der Hallstattzeit (800-400 v.Chr.) gelangte ein Bronzebecken nach Pfaffstätten, das am Eingang der Einöde gefunden wurde (vermutlich Hügelgrab eines hallstattzeitlichen Fürsten). Einritzungen zeigen möglicherweise venetische Schriftzeichen. Falls die Interpretation als Schriftzeichen stimmt, wäre das die älteste Inschrift in Mitteleuropa. Dieses Becken ist derzeit im Rollettmuseum, Baden. Möglicherweise ist die Einödstraße sogar noch viel älter und eine Abzweigung der schon lange vor den Römern bedeutenden Bernsteinstraße.
Auch über weitere Funde gibt es Berichte: eine Fibel, Pfeilspitzen aus der Hallstattzeit, Funde aus der Keltenzeit (Latène) zeugen auch von der Besiedelung bis zur Römerzeit. Ein römischer Ziegel, hergestellt von der 14. Legion, die von 117-360 n.Chr. nachweisbar ist, befindet sich im Heimatmuseum.
Die erste urkundliche Erwähnung von Pfaffstätten finden wir in einem Testament aus der Zeit 1120-30, wo ein gewisser Bobpo einen Weingarten „zu phafenstetin“ stiftet. Mit dieser Stiftung sollten für ihn und seiner Seele Heil Messen gelesen werden. Damit gab es Pfaffstätten schon vor der Gründung des Stiftes Heiligenkreuz.
Beil aus der BronzezeitKessel aus der Hallstattzeit
Quellen:
Kacerovsky „Frühgeschichte-Regesten“ (2009) und „Bobpo – Die erste Nennung Pfaffstättens im Jahre 1120-30" (undatierte Typoskripte)
Maurer „Am Steinfeld bei der Lacken, 1000 Jahre Baden Ost“ (2015) Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, Nr.99
J.Hösl „Chronik Pfaffstätten“ (1998)
Mitteilungen Dorothea Talaa
Pfaffstätten im Türkenjahr 1683
Pfaffstätten zählte damals über 100 Häuser, von denen 90 dem Stift Heiligenkreuz als Grundherrschaft zugehörig waren. Der türkische Angriff erfolgte am 9. Juli um 7 Uhr früh. Laut Überlieferung sollen nur 3 Pfaffstättner das Massaker überlebt haben. Auch wenn die Überlieferung etwas übertreibt, so waren die Auswirkungen auf Pfaffstätten doch verheerend. Im Generalprotokoll des Stiftes Heiligenkreuz steht geschrieben:
“Anno 1683 ist dieses ganze dorff Pfaffstätten sambt Kürchen in und außwendig angebrent und in Aschen gelegt worden. Von leuthen seint verloren gegangen 319 Personen, Groß und Klein, weib und mannbilder. Nit weniger ist aber auch unser hoff alda sambt deß weinzöhls wohnung, dem preßhaus und den zwayen Grossen Pressen in die aschen völlig gelegt worden und nichts übrergebliben alß daß gemeuer und der gewölbte keller“.
Pfaffstätten ist eine der wenigen Gemeinden, wo aufgrund der relativ guten Quellenlage die Ereignisse sehr gut rekonstruiert werden konnten. Rund zwei Drittel der Pfaffstättner wurden getötet oder gefangen fortgeführt. Für einen einzigen Pfaffstättner ist die Rückkehr aus der Gefangenschaft urkundlich erwiesen: Paul Rasser, seine Nachkommen leben heute noch in Pfaffstätten.
Für die Wiederherstellung der Kirche wurde 1686 ein Kredit aufgenommen, der erst 1767 vollständig zurückbezahlt werden konnte. Die Einwohnerschaft wurde durch Zuwanderung wieder vermehrt, vor allem durch Familien aus der Steiermark (z.B. Fam. Kernbichler), dem heutigen Burgenland (damals noch Ungarn) und Süddeutschland. Um 1700 waren bereits zwei Drittel der Pfaffstättner Zugezogene.
Die Kugel des von den Türken zerstörten Prangers ist heute noch an der Rathausfassade zu sehen. Ein Bildstock beim Bahnhof (neben der Fußgängerunterführung) erinnert an eine wunderbare Begebenheit aus dieser Zeit. Eine Mutter mit fünf Kindern soll Richtung Einöde geflüchtet sein. An der Stelle des Bildstockes versteckte sie sich erschöpft in einem Kornfeld, wurde von den nach Gaaden reitenden Heerscharen übersehen und kam so mit dem Leben davon. Der rechts eingezeichnete Bildstock, das „Pfaffstättner Kreuz“, steht heute noch als Bildstock an der Kreuzung Badener Straße/Rennbahnzeile.
Die älteste Abbildung von Pfaffstätten auf dem „Burgfrieden“ der Stadt Baden aus dem Jahre 1670. Die Kirche hat noch ein Pultdach, das „Zwiebeldach“ wurde erst nach der Zerstörung durch die Türken errichtet. Der rechts eingezeichnete Bildstock, das „Pfaffstättner Kreuz“, steht heute noch an der Kreuzung Badener Straße/Rennbahnzeile.
Abzug der roten Armee
Am 9. September 1955 wurde am Bahnhof in Pfaffstätten Weltgeschichte geschrieben. Der mündlichen Überlieferung nach bestieg der letzte Soldat der russischen Armee hier einen Zug um Österreich zu verlassen. Bis zum Fall des „Eisernen Vorhangs“ im Jahre 1989 war damit Österreich das einzige Land, aus dem sich die Rote Armee freiwillig, dh. per Staatsvertrag, zurückgezogen hatte.
Das Ereignis schilderte das Badener Volksblatt folgendermaßen: „Am 9. September um 18 Uhr verließ ein großer Teil der sowjetischen Truppen mit Frauen und Kindern Baden vom Frachtenbahnhof Pfaffstätten. Einer Einladung folgend, an dieser Abschiedskundgebung teilzunehmen, waren viele Menschen erschienen.
Schon eine Stunde vorher spielte die sowjetische Kapelle Musikstücke österreichischer Komponisten. Der Obmann der österr.-sowjet. Gesellschaft Schulrat Dir. Resnitschek begrüßte alle Anwesenden, besonders den Bezirkshauptmann Hofrat Dr. Emberger, Bürgermeister Dr. Julius Hahn,25 Gemeindevertreter und Bürgermeister der Umgebung. Bürgermeister Doktor Hahn sprach in herzlicher Weise den Abschiedsgruß, in dem er besonders zum Ausdruck brachte, dass das Entgegenkommen der Stadtkommandantur ein freundliches Zusammenarbeiten in den vielen Jahren ihrer Anwesenheit in Baden ermöglichte. Er wünschte zum Schluss den abreisenden Frauen und Kindern Wohlergehen in ihrer großen Heimat. Anschließend überreichte der Bürgermeister
dem Kommandanten als Abschiedsgeschenk ein in Saffianleder gebundenes Album Badener Ansichten und erhielt als Gegengeschenk ebenfalls ein Album. Die vom Kommandanten gesprochenen Dankesworte übersetzte die Dolmetscherin. Mit den beiden Hymnen, der österreichischen und der sowjetischen, schloss die Feier.“
Foto: Russische Soldaten tanzen einen Abschiedswalzer am Frachtenbahnhof Pfaffstätten/Baden (Archiv Heimatmuseum)
Abzug der roten Armee vom Frachtenbahnhof Pfaffstätten: https://youtu.be/HhMuabyZ5Hw (Filmmaterial: VFP-History Baden)
Quellen:
Hösl „Chronik Pfaffstätten“ (1998)
Maurer „Befreiung? – Befreiung! Baden 1945-1955“ (2005) Katalogblätter des Rollettmuseums Baden Nr.55
Badener Volksblatt Jg.47/Nr.37 vom 17.IX.1955
Alle Beiträge von: H. Fuhrmann